Wissenschaftler*innen des Technion Israel Institute of Technology veröffentlichten diese Woche eine Studie, der zufolge Verwendung von medizinischem Cannabis einer Gruppe von Krebspatienten geholfen habe, ihre Schmerzsymptomatik "erheblich" zu verbessern. Zudem habe die Therapieform geholfen, andere, krebsbedingte Symptome zu lindern sowie den Opioidkonsum bei den Betroffenen zu reduzieren. Dabei stellten die Forschenden nur sehr geringe bis keine Nebenwirkungen bei der Verwendung von medizinischem Cannabis in der Krebstherapie fest. In der Zusammenfassung der Studie heißt es, Cannabis sei eine „legitime Option zur Schmerzlinderung für Krebspatienten“.

Krebstherapie mit Cannabis in Israel

Die Vorschriften des israelischen Gesundheitsministeriums (IMOH) erlauben die Verordnung von Cannabis bei der Behandlung von Krebspatienten in der Palliativphase sowie von Krebspatienten mit Nebenwirkungen einer antineoplastischen Behandlung. Die Verordnungen werden von spezialisierten Onkologen erteilt, die vom IMOH dafür eine Genehmigung erhalten haben. Der ausstellende Onkologe verordnet dann auf der Grundlage der IMOH-Leitlinien die Cannabis-Dosis, die Einnahmeform sowie die CBD und THC-Konzentration. Als Applikationsformen können das Rauchen sowie eine Inhalation der Blütenstände und/oder Ölextrakte zur sublingualen Anwendung benannt werden. Die Anfangsdosis beträgt 20 g Blütenstände oder dessen Äquivalent in Tropfen pro Monat. Als offiziellen Kontraindikationen in Israel gelten Schwangerschaft, Stillzeit, eine frühere psychotische Diagnose oder eine psychotische Erkrankung in der Familie.

Die Studie

Die Langzeitstudie wurde zwischen Januar 2019 und September 2021 unter Beteiligung fünf verschiedener Institute* durchgeführt. An der Studie konnten hebräischsprachige Patienten über 18 Jahren teilnehmen, die als Cannabis-Patienten registriert waren und über eine entsprechende Diagnose verfügten.

"Traditionell werden krebsbedingte Schmerzen hauptsächlich mit Opioid-Analgetika behandelt, aber die meisten Onkologen halten die Behandlung mit Opioiden für gefährlich, so dass alternative Therapien erforderlich sind", äußerte Studienleiter Prof. David Meiri, Assistenzprofessor am Technion Israel Institute of Technology, in einer Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Studie.

"Unsere Studie ist die erste, die die möglichen Vorteile von medizinischem Cannabis für krebsbedingte Schmerzen bei Krebspatienten bewertet; sie sammelt Informationen vom Beginn der Behandlung an und mit wiederholten Nachuntersuchungen über einen längeren Zeitraum, um eine gründliche Analyse der Wirksamkeit zu erhalten“, so Meiri weiter.

„Wir trafen auf zahlreiche Krebspatienten, die uns fragten, ob die Behandlung mit medizinischem Cannabis Ihnen helfen könne. Unsere Überprüfung der aktuellen Studienlage legte nah, dass tatsächlich nicht viel über die Wirksamkeit von Cannabis bekannt ist. Und von dem, was bekannt war, war vieles unschlüssig – insbesondere bei der Behandlung von krebsbedingten Schmerzen“, so Studienmitautor Gil Bar-Sela, außerordentlicher Professor am Ha'Emek Medical Center Afula.

Opiodkonsum merklich gesunken

"Die Patienten füllten vor und während der sechsmonatigen Behandlungsphase anonyme Fragebögen aus. Auf deren Grundlage sammelten wir Daten zu Faktoren wie Schmerzintensität, Analgetikaverbrauch, Belastung durch Krebssymptome, sexuelle Probleme sowie anderer Nebenwirkungen", so Prof. Bar-Sela weiter.

Neben der Schmerz- und Symptomlinderung berichteten viele Patienten über eine Senkung ihres Opioidkonsums. Tatsächlich habe knapp die Hälfte aller Patienten die Einnahme von Schmerzmitteln nach sechs Monaten Cannabistherapie ganz eingestellt.

Abschließend wies Studienleiter Professor Meiri auf die Notwendigkeit hin, die Forschung zum Einsatz von Cannabis im Rahmen der Krebsbehandlung zu intensivieren.

"Obwohl unsere Studie sehr umfassend ist und zusätzliche Perspektiven zur Verwendung von medizinischem Cannabis aufzeigt, waren die Unterschiede bezüglich Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit sowie bei Krebsarten und dem Stadium des Krebses sehr groß. Daher sollten künftige Studien die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis in spezifischen Untergruppen von Krebspatienten mit mehr gemeinsamen Merkmalen untersuchen."

 


*
  1 Faculty of Biology, Biology Department, Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel
2 Cancer Center, HaEmek Medical Center, Afula, Israel
3 Department of Oncology, Galilee Medical Center, Nahariya, Israel
4 Azrielly Faculty of Medicine, Bar Ilan University, Zafed, Israel
5 Faculty of Medicine, Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel

Die US-Regierung hat angekündigt, Finanzierungsmöglichkeiten zur Erforschung des therapeutischen Potentials von medizinischem Cannabis bei Krebspatienten zu schaffen. In einer Bekanntmachung des National Institutes of Health (NIH) aus der vergangenen Woche berichtet die Behörde, dass aktuell ungefähr ein Viertel aller Krebspatienten angebe, Cannabis zur Linderung ihrer Symptome wie zum Beispiel Anorexie, Übelkeit und Schmerzen zu nehmen.

Das dem NIH unterstellte NCI (National Cancer Institute) soll die Rahmenbedingungen in Form einer Ausschreibung definieren. Das NIH beklagt, dass die Forschungsergebnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen, einschließlich einer Schaden-Nutzen Abwägung, derzeit sehr überschaubar seien. Ziel der geplanten Ausschreibung sei, „die Forschung zum Verständnis der Mechanismen zu fördern, durch die Cannabis und Cannabinoide die Krebsbiologie, die Krebsabwehr, die Krebsbehandlung und -resistenz sowie das Management von Krebssymptomen beeinflussen".

Widersprüchliche Daten

"Studien zu anderen Krebsarten haben keinen oder einen widersprüchlichen Zusammenhang mit Cannabiskonsum gezeigt, aber diese Daten sind begrenzt", so das NIH in seiner Mitteilung. Die aktuellen, epidemiologischen Studien zu diesem Thema hätten begrenzte und widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Beispielsweise könne Cannabisrauch zwar schädliche Inhaltsstoffe enthalten, werde aber nicht direkt mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko in Verbindung gebracht, heißt es in der Mitteilung. Zu den vermuteten Tumor hemmenden Eigenschaften schreibt das Institut:

"Krebszelllinienexperimente zeigen, dass THC und CBD viele Antitumoreffekte aufweisen können, einschließlich der Apoptoseinduktion und der Hemmung von Zellproliferation, Invasion und Angiogenese. Diese Anti-Tumor-Aktivitäten haben zu ersten klinischen Tests von THC und CBD bei Glioblastom und Prostatakrebs geführt."

Die in Cannabis enthaltenen Substanzen wirkten sich auf das Endocannabinoid-System aus, das eine Rolle beim Ablauf vieler krebsrelevanter Prozesse, wie Zellproliferation, -motilität und -überleben spiele, heißt es in der Bekanntmachung weiter.

Acht Forschungsschwerpunkte auserkoren

Das NCI hat eine Liste mit acht Themenbereichen erarbeitet, die sie zukünftig von Forschenden untersuchen lassen möchte.

- Auswirkungen von exogenem Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsentwicklung (Präneoplasie bis Malignität) und die Biologie, einschließlich der Mikroumgebung des Tumors

- Verstehen, wie endogene Cannabinoidwege die Krebsentwicklung und -biologie beeinflussen

- Definition der Auswirkungen von Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsbehandlung (insbesondere gezielte Behandlungen und Immuntherapie) und die Entwicklung von Behandlungsresistenz

- Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden bei der Krebsbekämpfung und Beschreibung, wie Endocannabinoid-Signalwege die Entstehung von Krebs im Frühstadium verhindern können;

- Wirkungsmechanismen von Cannabis und Cannabinoiden bei der Linderung von Symptomen von Krebs und Krebsbehandlung (wie Schmerzen, Übelkeit und Neuropathie);

- Kombinatorische Wirkungen von Cannabis und Cannabinoiden in Verbindung mit anderen Faktoren (z.B. Tabakbestandteile, Alkohol, Mikrobiom oder Ernährung) auf die Krebsbiologie, die Behandlung und das Symptommanagement

- Identifizierung der biologischen Mechanismen, die den geschlechts- oder ethnisch bedingten Unterschieden in der Wirkung von Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsbiologie, die Behandlung oder das Symptommanagement zugrunde liegen; und

- Entwicklung oder Validierung neuer und für den Menschen relevanter Modellsysteme zum Verständnis der Wirkung von Cannabis und Cannabinoiden in der Krebsbiologie, -behandlung oder -symptomkontrolle.

Laut dem NIH sei die Liste lediglich eine Leitlinie. Das Institut fordert die Forschenden auf, innerhalb des vorhandenen Rahmens weitere Forschungsziele zu erarbeiten. So werde nachdrücklich empfohlen, Studien, die Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen integrieren, modernste, für den Menschen relevante Modelle (z. B. organoide oder vom Patienten stammende Xenotransplantatmodelle) einzubeziehen und fortschrittliche Technologien und Methoden zu nutzen.

Angesichts der Tatsache, dass Cannabis auf US-Bundesebene nach wie vor eine verbotene Substanz gemäß „Schedule I“ ist und somit, zumindest nach offizieller Lesart, keinerlei medizinischen Nutzen hat, werden Bekanntmachung und Ausschreibung des NIH von Experten als überraschend eindeutig bewertet.

 


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