Britische Studie zu Cannabis und Autismus lässt aufhorchen

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Cannabis basierte Arzneimittel werden immer wieder als vielversprechende und neuartige Therapeutika für Symptome und Komorbiditäten im Zusammenhang mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) genannt. Bislang gibt jedoch nur wenige klinische Beweise für ihre Wirksamkeit und Sicherheit bei ASS. Britische Forscher des  Imperial College London haben erste Studienergebnisse zu den Veränderungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und dem Auftreten unerwünschter Ereignisse bei Patienten veröffentlicht, deren Autismus-Symptome im Rahmen einer Cannabis basierten Therapie behandelt wurden.

Hierfür wurden Daten von 74 Autismus-Patienten, die mit in Großbritannien zugelassenen Cannabis-Präparaten klinisch behandelt wurden, ausgewertet. Patienten, die wegen anderer Erkrankungen behandelt wurden, Autismus jedoch nicht die primäre Indikation war, wurden ausgeschlossen.

Nebenwirkugen der Standardmedikation erfordern neue Therapeutika

Gemäß den Autoren der Studie bestehe aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen von Neuroleptika basierter Standardtherapien ein unerfüllter klinischer Bedarf an der Identifizierung neuer Therapeutika für die Kernsymptome, andere assoziierte Symptome oder komorbide Diagnosen. Das Endocannabinoid-System werde mit der Pathophysiologie von ASS in Verbindung gebracht und ist nach Auffassung der Wissenschaftler deshalb ein potenzielles pharmazeutisches Ziel zur Autismus-Behandlung.

Den Patienten konnten je nach klinischen Anforderungen sublinguale/orale oder verdampfte Präparate verschrieben werden. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 32,7 Jahre. 48,6 % der Teilnehmer wurden getrocknete Blüten verschrieben, 21,6 % Teilnehmern wurden orale/sublinguale Präparate verschrieben und 29,7 % erhielten beide Darreichungsformen. Zwei Drittel der Teilnehmer (67%) konsumierte zu Studienbeginn bereits regelmäßig Cannabis. Die am häufigsten gleichzeitig verabreichten Begleitmedikamente waren Antidepressiva (60,8 %), Antiepileptika (9,5 %), Benzodiazepine (16,2 %), Neuroleptika (16,2 %) und Stimulanzien (8,1 %). Insgesamt beendeten 33,3 % die Einnahme von Benzodiazepinen und 25,0 % die Einnahme von. Neuroleptika während der Cannabis-Behandlung. Bei den untersuchten Fällen stellten die Wissenschaftler signifikante Verbesserungen der allgemeinen gesundheitsbezogenen Lebens- und Schlafqualität fest. 18,9 % der Teilnehmer berichteten über unerwünschte Nebenwirkungen. Die waren in der Mehrzahl der registrierten Fälle „leicht“, „mäßig“ oder „nicht schwer“.

Verbesserung der Lebensqualität und Reduktion von Neuroleptika und Benzodiazepinen

Die Ergebnisse dieser Studie sind die ersten veröffentlichten Beobachtungsdaten zur Cannabis-Therapie, die sich auf erwachsene Teilnehmer mit einer ASS-Diagnose konzentrierten. In der Zusammenfassung heben die Autoren die positiven Ergebnisse zu schlaf- und angstspezifischen Störungen und damit verbundene Verbesserungen der allgemeinen Lebensqualität hervor. Ferner wurde die Reduktion der Gabe von Begleitmedikamenten, die bei Langzeitanwendung teilweise mit schwerwiegenden, unerwünschten Ereignissen sowie die gute Verträglichkeit der Therapie, hervor gehoben. Doch die Ergebnisse müssten auch im Kontext der Beschränkungen des Studiendesigns interpretiert werden: Da es keine Kontrollgruppe zum Vergleich gegeben habe, sei es nicht möglich festzustellen, ob die damit verbundenen Veränderungen tatsächlich durch die Cannabismedikation verursacht würden. Zudem handele sich um Patienten einer Privatklinik, die als Selbstzahler nicht repräsentativ für die britische Bevölkerung stünden. Doch trotz dieser Einschränkungen biete die Studie in den Augen der Verfasser eine wissenschaftliche Rechtfertigung für eine weitere Bewertung im Rahmen randomisierter kontrollierter Studien und könne in der Zwischenzeit als Anleitung für die klinische Praxis dienen.