Die US-Regierung hat angekündigt, Finanzierungsmöglichkeiten zur Erforschung des therapeutischen Potentials von medizinischem Cannabis bei Krebspatienten zu schaffen. In einer Bekanntmachung des National Institutes of Health (NIH) aus der vergangenen Woche berichtet die Behörde, dass aktuell ungefähr ein Viertel aller Krebspatienten angebe, Cannabis zur Linderung ihrer Symptome wie zum Beispiel Anorexie, Übelkeit und Schmerzen zu nehmen.
Das dem NIH unterstellte NCI (National Cancer Institute) soll die Rahmenbedingungen in Form einer Ausschreibung definieren. Das NIH beklagt, dass die Forschungsergebnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen, einschließlich einer Schaden-Nutzen Abwägung, derzeit sehr überschaubar seien. Ziel der geplanten Ausschreibung sei, „die Forschung zum Verständnis der Mechanismen zu fördern, durch die Cannabis und Cannabinoide die Krebsbiologie, die Krebsabwehr, die Krebsbehandlung und -resistenz sowie das Management von Krebssymptomen beeinflussen".
Widersprüchliche Daten
"Studien zu anderen Krebsarten haben keinen oder einen widersprüchlichen Zusammenhang mit Cannabiskonsum gezeigt, aber diese Daten sind begrenzt", so das NIH in seiner Mitteilung. Die aktuellen, epidemiologischen Studien zu diesem Thema hätten begrenzte und widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Beispielsweise könne Cannabisrauch zwar schädliche Inhaltsstoffe enthalten, werde aber nicht direkt mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko in Verbindung gebracht, heißt es in der Mitteilung. Zu den vermuteten Tumor hemmenden Eigenschaften schreibt das Institut:
"Krebszelllinienexperimente zeigen, dass THC und CBD viele Antitumoreffekte aufweisen können, einschließlich der Apoptoseinduktion und der Hemmung von Zellproliferation, Invasion und Angiogenese. Diese Anti-Tumor-Aktivitäten haben zu ersten klinischen Tests von THC und CBD bei Glioblastom und Prostatakrebs geführt."
Die in Cannabis enthaltenen Substanzen wirkten sich auf das Endocannabinoid-System aus, das eine Rolle beim Ablauf vieler krebsrelevanter Prozesse, wie Zellproliferation, -motilität und -überleben spiele, heißt es in der Bekanntmachung weiter.
Acht Forschungsschwerpunkte auserkoren
Das NCI hat eine Liste mit acht Themenbereichen erarbeitet, die sie zukünftig von Forschenden untersuchen lassen möchte.
- Auswirkungen von exogenem Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsentwicklung (Präneoplasie bis Malignität) und die Biologie, einschließlich der Mikroumgebung des Tumors
- Verstehen, wie endogene Cannabinoidwege die Krebsentwicklung und -biologie beeinflussen
- Definition der Auswirkungen von Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsbehandlung (insbesondere gezielte Behandlungen und Immuntherapie) und die Entwicklung von Behandlungsresistenz
- Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden bei der Krebsbekämpfung und Beschreibung, wie Endocannabinoid-Signalwege die Entstehung von Krebs im Frühstadium verhindern können;
- Wirkungsmechanismen von Cannabis und Cannabinoiden bei der Linderung von Symptomen von Krebs und Krebsbehandlung (wie Schmerzen, Übelkeit und Neuropathie);
- Kombinatorische Wirkungen von Cannabis und Cannabinoiden in Verbindung mit anderen Faktoren (z.B. Tabakbestandteile, Alkohol, Mikrobiom oder Ernährung) auf die Krebsbiologie, die Behandlung und das Symptommanagement
- Identifizierung der biologischen Mechanismen, die den geschlechts- oder ethnisch bedingten Unterschieden in der Wirkung von Cannabis und Cannabinoiden auf die Krebsbiologie, die Behandlung oder das Symptommanagement zugrunde liegen; und
- Entwicklung oder Validierung neuer und für den Menschen relevanter Modellsysteme zum Verständnis der Wirkung von Cannabis und Cannabinoiden in der Krebsbiologie, -behandlung oder -symptomkontrolle.
Laut dem NIH sei die Liste lediglich eine Leitlinie. Das Institut fordert die Forschenden auf, innerhalb des vorhandenen Rahmens weitere Forschungsziele zu erarbeiten. So werde nachdrücklich empfohlen, Studien, die Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen integrieren, modernste, für den Menschen relevante Modelle (z. B. organoide oder vom Patienten stammende Xenotransplantatmodelle) einzubeziehen und fortschrittliche Technologien und Methoden zu nutzen.
Angesichts der Tatsache, dass Cannabis auf US-Bundesebene nach wie vor eine verbotene Substanz gemäß „Schedule I“ ist und somit, zumindest nach offizieller Lesart, keinerlei medizinischen Nutzen hat, werden Bekanntmachung und Ausschreibung des NIH von Experten als überraschend eindeutig bewertet.