Neue Studie stellt mehr Forschungsbedarf fest
Laut einer aktuellen Studie, die in der Zeitschrift Multiple Sclerosis and Related Disorders veröffentlicht wurde, nutzt mehr als die Hälfte der Kanadier*innen mit Multipler Sklerose (MS) Cannabis zur Symptomlinderung.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftler*innen der University of Alberta führte eine anonyme Umfrage durch, um den Cannabiskonsum von Kanadier*innen mit MS zu bewerten. Das Team wies darauf hin, dass ähnliche Studien bereits in den Jahren vor der Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum 2018 durchgeführt wurden, es sich aber seitdem um die erste Erhebung dieser Art handele.
Erste Studie seit der Legalisierung von Cannabis zum Freizeitkonsum
"Diese Querschnittstudie zielte darauf ab, die Prävalenz des Cannabiskonsums bei Menschen mit MS in Kanada, seine Wirksamkeit bei der Behandlung einer Vielzahl von Symptomen sowie die Häufigkeit und Schwere der unerwünschten Nebenwirkungen zu bewerten. Wichtig ist, dass dies in Kanada seit der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch im Jahr 2018 nicht mehr untersucht wurde, auch wenn 2003 und 2004 vergleichbare Studien veröffentlicht wurden", so die Forscher.
Und weiter: "Angesichts der Tatsache, dass Cannabis einen Therapieerfolg bei der Behandlung von MS-Symptomen verspricht, ist es wichtig, mehr über die aktuellen Erfahrungen der Patienten zu wissen, um künftige Forschungsbemühungen zu unterstützen sowie wirksame, alternative Therapieschemata zur Behandlung von Symptomen zu entwickeln, die auf eine Verbesserung der Lebensqualität abzielen."
Die Umfrage wurde von 344 Kanadier*innen mit MS beantwortet. Fast 80 % der Befragten hatten ein in Schüben verlaufendes Krankheitsbild, während der Rest entweder an einer fortgeschrittenen Form litt oder sich über den Typ seiner MS nicht im Klaren war. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, weiblich zu sein. Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 45 Jahren.
52,3% nutzen derzeit medizinisches Cannabis
Mehr als die Hälfte (52,3 %) der Befragten gab an, derzeit Cannabis zu verwenden, um die Symptome zu lindern. Weitere 10,2 % gaben an, früher einmal medizinisches Cannabis konsumiert zu haben, es aktuell aber nicht täten.
Cannabis-Nutzer*innen, Nichtnutzer*innen sowie ehemalige Nutzer*innen unterschieden sich nicht signifikant in Bezug auf Alter, Geschlecht oder der Dauer ihrer Erkrankung Im Vergleich zu Patienten, die Cannabis noch nie probiert hatten, litten aktuelle oder ehemalige Konsumenten eher an progressiven MS-Typen, berichteten tendenziell über schwerere Einschränkungen sowie eine schlechtere Lebensqualität und waren seltener auf eine krankheitsmodifizierende Behandlung angewiesen.
"Wir fanden heraus, dass etwa zwei Drittel der Teilnehmer*innen angaben, medizinisches Cannabis zur Behandlung ihrer MS-Symptome verwendet zu haben, wobei diejenigen, die medizinisches Cannabis ausprobiert haben, mit einer größeren Krankheitslast leben als Nichtnutzer*innen", schreiben die Forscher.
Von den derzeitigen Nutzern*innen konsumierten fast drei Viertel (73,8 %) täglich medizinisches Cannabis. In unterschiedlichen Darreichungsformen wie darunter gerauchte oder verdampfte Blüten, Konzentrate in Form sublingualer Öle oder Sprays sowie essbare Zubereitungen (so genannte „Edibles“).
Die häufigsten Symptome, die die Patient*innen mit Cannabis linderten, waren Schlafprobleme (84,1 %), Schmerzen (80 %), Muskelkrämpfe (68,4 %), Stress (66,5 %) und Müdigkeit (59 %).
Zu den häufigsten Nebenwirkungen des Cannabiskonsums gehörten Schläfrigkeit (57,2%), Erschöpfung (48,8 %), Konzentrationsschwierigkeiten (28,4 %) sowie Gleichgewichtsstörungen (22,3 %) und innere Unruhe (17,7 %). Die meisten Patient*innen gaben an, diese unangenehm Nebenwirkungen nicht häufig zu erleben. Mehr als 80 % der Konsument*innen gaben an, dass Cannabis bei der Bewältigung von Spastizität, Schmerzen, Schlafproblemen, schlechter Laune und Stress wirksam sei. Mehr als die Hälfte der Konsument*innen sagte, dass es bei Angstzuständen, Müdigkeit und Kopfschmerzen helfen könne. Nahezu alle Nutzer*innen gaben an, dass es den Appetit anregen könne.
"Diese von den Patient*innen beschriebenen Mechanismen können für die künftige Forschung über die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von MS-Symptomen von Bedeutung sein", heißt es in der Studie.
Kostenfaktor und Unkenntnis sind die größten Hürden
Patient*innen, die den Konsum eingestellt hatten, gaben folgende Gründe an:
- die Kosten und/ oder Probleme bei der Beschaffung (34,4 %)*
- das Gefühl, es helfe nicht (28,6 %)
- unerwünschten Nebenwirkungen (17,1 %).
Kanadische MS-Patient*innen, die noch nie Cannabis konsumiert hatten, gaben als Gründe
- die Unkenntnis der potenziellen Vorteile (34,4 %)
- Desinteresse oder das Gefühl, es sei unnötig (15 %),
- sowie Bedenken hinsichtlich der sozialen Stigmatisierung (14,4 %)
an.
Die Forscher*innen stellten auch fest, dass die meisten MS-Patient*innen nicht durch Vertreter*innen des Gesundheitssystems, sondern durch Freund*innen oder eigene Online-Recherchen vom medizinischen Nutzen von Cannabis bei MS erfahren hatten.,
"Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass evidenzbasierte Ressourcen leicht verfügbar und aktuell sind, um diejenigen zu informieren, die die Verwendung von medizinischem Cannabis bei MS in Betracht ziehen sowie sie zu ermutigen, Diskussionen mit ihrem medizinischen Team anzuregen", schlussfolgert die Studie.
* Anders als in Deutschland können die Therapiekosten in Kanada aus rechtlichen Gründen nicht von den gesetzlichen Kassen übernommen werden.